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Interviews

ANDREAS SCHMIDT ÜBER „INDOOR LANDSCAPING“

POSTED 22.05.2019
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„Ich bin kein Künstler, sondern ein urbaner Gärtner, dem bei seinen grünen Projekten die Menschen das Wichtigste sind.“

Alles im grünen Bereich: Andreas Schmidt war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und setzte mit der Idee, Landschaft in den Raum zu ziehen Mitte der 1990er-Jahre einen Meilenstein: Mit nie enden wollendem Wissensdurst, dem stetigen Blick über den Tellerrand hinaus sowie mit der großen Leidenschaft für Menschen nahm er als Vermittler zwischen Architekten und Botanikern damit früh eine Nische ein, die damals noch in den Kinderschuhen steckte – und konnte ebenso früh schon die ersten Lorbeeren dafür ernten. Uns erzählte der Inhaber der Agentur indoorlandscaping von seinen ersten Erfolgen, unvergesslichen Projektanfragen, der Sozialisierung des Menschen durch die Natur sowie von der grünen Inszenierung sowohl von Außen-, als auch von Innenräumen.


Die Fragen stellte Sandra Gawlowski.

 

Andreas Schmidt, Du bringst mit Deiner Agentur indoorlandscaping ein Stück Natur in das urbane Umfeld und damit auch konkret in unsere Architektur. Wie und wann war diese Idee geboren?

Ich sage gerne, dass es zu einem „biographischen Unfall“ kam: Eines Morgens saß ich in meiner Heimatstadt Trier bei einer Freundin am Frühstückstisch, wo auch ein gewisser Gärtner anwesend war, der uns von einem spannenden Projekt in Leipzig erzählte. Und obwohl er natürlich nicht zu sehr ins Detail ging, war mein Interesse direkt entfacht. Also bin ich danach mit ihm in den Osten gefahren, wo ich mir die Baustelle von gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner ansehen durfte. Ich war absolut geflasht davon, was das Projektteam mit Pflanzen im Innenraum geschaffen hatte und habe gemerkt, dass das genau mein Ding ist. Das Kennenlernen des Gärtners im Jahre 1996 und die darauffolgenden Erfahrungen waren also echte Schlüsselmomente, die gewissermaßen mein Leben und meinen Werdegang nachhaltig geprägt haben. Deswegen denke ich, war ich auf jeden Fall zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe immerzu wichtige Fragen gestellt, die andere außer Acht ließen. Zudem habe ich das Potenzial dieses „upcoming“ Themas schnell erkannt und bin diesem stringent nachgegangen. So ist offiziell mein Gründungsdatum 1998, aber schon zwei Jahre zuvor bin ich mit dem selbsternannten „Indoor Landscaping“ in Berührung gekommen.

 

Wie genau sieht denn Dein beruflicher Werdegang aus?

Ich bin studierter Chemiker, habe danach aber weder ein biologisches noch ein pflanzenkundiges Studium wie Botanik absolviert. Ich bin auch keinem Architektur- bzw. Innenarchitektur-Studium oder gar einem Landschaftsarchitektur-Studium nachgegangen, aber genau das ist der springende Punkt: Ich sehe es als Vorteil, dass ich mich eben nicht für eine spezielle Sparte entschieden habe. So kann ich jetzt ein guter Vermittler zwischen Architekten auf der einen Seite und diesen „Grünkundlern“ auf der anderen Seite fungieren – das habe ich nicht zuletzt auch meinen guten Ausbildern, ergo namhaften Architekturbüros aus der ganzen Welt, zu verdanken. Ich bin glücklich über jedes spannende Pflanzenprojekt der letzten zwei Dekaden, bei dem ich mit der Champions League an Netzwerk-Kollegen zusammenarbeiten durfte. Ich bin wohl ein recht gutes Beispiel für das „Learning by Doing“-Prinzip.

 

Sprichst Du bei Deinem Schaffen von Arbeit oder eher von Kunst?

Ehrlich gesagt: weder noch! Arbeit war es für mich nie, weil es mir immer schon sehr leicht von der Hand ging und ich bereits mit sehr vielen Menschen zusammenarbeiten konnte. Und als Künstler habe ich mich auch nie gefühlt, da ich niemals diesen elitären Anspruch verspürt habe. Am liebsten bezeichne ich mich tatsächlich als Gärtner oder noch spezieller: als urbaner Gärtner. Ich hatte nie das Verlangen, zu einer künstlerischen Elite zu gehören, sondern wollte immer nur als Mensch gesehen werden.

 

Sobald ein Bild hängt, ist die Arbeit getan. Ganz anders ist es aber bei einer Pflanze, die regelmäßig Pflege benötigt. Wie überzeugst Du Kunden von der grünen Kunst für dauerhafte Rauminstallationen?

Ich überzeuge niemanden mehr, denn ich bin der Meinung, dass der Kunde selbst davon überzeugt sein muss, dass er diese oder jene Pflanzeninstallation in seiner Räumlichkeit benötigt. Ich vergleiche das gerne mit dem Kinderwunsch eines Paares: Da ist es schließlich auch selbstredend, dass diese Wesen Liebe, Aufmerksamkeit und Pflege brauchen – nicht anders sieht es mit Pflanzen aus. Ich bereite die Interessenten schon darauf vor, dass sie zehn Prozent des Installationsbudgets in Pflege investieren sollten, wenn sie Grün zwecks Kommunikationsmaßnahmen im Raum einsetzen möchten, aber „Klick“ muss es letztendlich bei jedem selbst machen.

 

Natur im Raum gleich bessere Kommunikation im Raum? Welche Vorteile haben Pflanzen in Räumlichkeiten?

Ich stelle eine Tatsache immer wieder bei meiner Arbeit fest: Wir Menschen sind doch alle mit Grün sozialisiert worden. Dabei spielt es keine Rolle, wo wir herkommen, welchen Beruf wir ausüben oder wen wir lieben. Sei es nur die Oma, die einen Obstgarten besaß und regelmäßig Marmelade eingekocht hat oder der Opa, der die Sträucher und Bäume immer zurechtgeschnitten hat oder eben mein Großvater, der seit jeher Tomaten anpflanzte: Wir alle haben doch eine Verbindung zur Natur und das erachte ich als elementar. Zudem kommt die heilsame Wirkung der Farbe Grün hinzu, die auch wir gerade jetzt beim Frühlingserwachen draußen spüren. Unabhängig von Alter, Hautfarbe, Religion, Geschlecht etc. hat jeder so eine Ehrfurcht vor der Natur, die uns nicht kalt lässt. Weitere harte Fakten und Vorteile von Pflanzen sind natürlich der Duft (daher liebe ich auch Schnittblumen sehr), die Haptik, die Luftfeuchtigkeitsproduktion, die Raumkühlung, die Lärmdämmung oder gar die Produktivitätssteigerung bei den Mitarbeitern selbst.

 

Wie genau sieht Deine Arbeit aus? Wie ist Deine Vorgehensweise und mit welchen Materialien arbeitest Du?

Meistens sind es Architekten oder große Architekturbüros, die uns schon mit einem Projekt in der Tasche anfragen. Wir müssen uns da nichts vormachen: Es braucht schon ein gewisses Projektvolumen, eine ordentliche Budgetgröße und den Mindset, bevor wir als „Indoor Landscaper“ ins Boot geholt werden. Während ein Statiker bei jedem Bauvorhaben unerlässlich ist, wird am Innenarchitekten schon eher gespart – von uns ganz zu schweigen …
Bevor die Zusammenarbeit richtig losgehen kann, wird ein Kick-off-Meeting einberufen, bei dem alle Gewerke, der Bauherr, die eventuelle Kommunikationsagentur, die Architekten usw. teilnehmen. Dieser Dialog vor Projektbeginn hat sich immer bewährt, denn hier werden alle Ziele formuliert und wir können unsere „Quality Questions“ stellen wie etwa: Warum möchten Sie eigentlich GENAU DIESE grüne Installation haben? Die Antworten des Kunden auf diese und weitere Qualitätsfragen bilden dann die Grundlage für unser Schaffen. Im Anschluss ziehe ich mich für die Arbeit zurück und fungiere vielmehr als Vermittler oder Trainer, der die Mannschaftsaufstellung macht. Schließlich stellt jedes Projekt seine eigenen Bedingungen und es ist meine Aufgabe, den jeweils prädestinierten Spezialisten hierfür zu stellen. Dieser Prozess nimmt zurecht die meiste Zeit in Anspruch. Anschließend geht es um das Abarbeiten eines Fragenkatalogs: Wie groß ist der Raum? Wieviel Luftfeuchte ist gewünscht? Welche Interaktionen sollen generiert werden? Bezüglich der zu verarbeitenden Materialien ist zu sagen, dass wir primär mit Menschen arbeiten. Hinzu kommen Bäume, Sträucher, Kletterpflanzen und jede Menge Substrat. Mein absolutes Lieblingsmaterial ist im Moment jedoch Kork.

 

Welche Kunden haben Dir schon ihr Vertrauen geschenkt bzw. wen durftest Du bereits begrünen?

Wir haben viele Projekte für die Automobilindustrie realisiert, wie zum Beispiel den Messestand sowie die me Convention für die Daimler AG auf der IAA 2017 in Frankfurt. Aber auch Kunden wie Siemens oder Sony Europe durften wir schon betreuen. In 20 Jahren kommen so einige Projekte und Ideen zusammen … Dabei gibt es natürlich auch die Beispiele, die einfach unvergesslich bleiben: Zum einen die spektakuläre Anfrage des Studios von Brad Pitt für ein Bauvorhaben in Tokio im Jahre 2007 oder die des britischen Architekten Norman Foster für den U2 Tower. Schlussendlich wurde jenes Projekt allerdings eingestellt und es kam leider nicht zur Realisierung. Aber Fakt ist, dass ich doch mit U2 an einem Tisch gesessen habe – ein Erlebnis, das mir niemand mehr nehmen kann und von dem ich meinen Enkeln sicher noch erzählen werde …

 

Welches war das größte Projekt, das Du bisher durchgeführt hast?

Ich habe eine Zeit lang für Perkins+Will gearbeitet – ein Architekturbüro in Chicago, das 1935 gegründet wurde. In deren Auftrag bin ich 2007 nach Charlotte, North Carolina, gereist, um dort an der Planung der „Bank of America“ teilzuhaben. Nach drei Jahren Planungszeit wurde das Projekt finalisiert und die von mir ausgewählten Bäume standen in Reih und Glied. So eine Planung von Kommunikation im (öffentlichen) Raum bedarf guter Organisation und der Berücksichtigung etwaiger Eventualitäten. So hatten wir zum Glück bedacht, dass beispielsweise ein Sturm aufziehen kann und wir auf keinen grünen Zweig kommen, wenn unsere Bäume brechen oder umfallen. Also wurden schon zu Beginn prophylaktisch weitere Exemplare in den umliegenden Baumschulen reserviert und diese schlussendlich sogar gebraucht, da uns Petrus ein kleines Windchen runterschickte. Nach diesem Auftrag kam der Stein dann richtig ins Rollen und ich muss gestehen, ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich eines Tages einen kleinen Auftrag eines gewissen Herrn Obama bzw. des U.S. Coast Guard Office in Washington D.C. erhalten habe.

 

Stichwort „Green Movement“: Welche Städte machen Deiner Meinung nach vieles richtig im grünen Bereich?

Ganz vorne mit dabei ist auf jeden Fall meine Heimatstadt Trier. Hier haben wir überall viel Grün, sind stolz auf einen großen Baumbestand, dürfen uns Fair-Trade-Stadt nennen und unser Radwegnetz wird nun endlich kontinuierlich ausgebaut. Und auch in der Schweiz geht es grün zu – insbesondere in Zürich. Dort sind viele Architekten beheimatet, die einem ökologischen Ansatz folgen, eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit forcieren und das Thema „Green Movement“ vorantreiben. Und weltweit gesehen zählt für mich vor allem Singapur zu den Metropolen, die besonders grün agieren. Also zusammenfassend: Trier – Zürich – Singapur.

 

Wir müssen nachhaltig und grün denken, damit es überhaupt eine Zukunft gibt. Wenn wir jedoch einen Blick in die Messebranche wagen, scheint diese alles andere als nachhaltig zu sein. Dennoch ist in letzter Zeit auch hier häufiger zu beobachten, dass in den Messehallen immer mehr Grün zum Einsatz kommt. Was passiert mit diesen Pflanzen eigentlich nach Messeschluss?

Tatsächlich ist es so, dass wir bei unserer Planung nicht nur bis zur Schließung der Messe denken, sondern natürlich auch darüber hinaus. Schließlich ist es ein Anspruch der uns beauftragenden Architekten, Szenografen oder Kommunikationsagenturen sowie der Anspruch an uns selbst, vernünftige Lösungsansätze zu liefern, wie wir auch nach Messeschluss alles bestenfalls nachhaltig zurückbauen können. Als Beispiel: Bei der bereits oben angebrachten IAA 2017 wollte Daimler einen Baum von elf Metern im Entree positionieren – wobei schon der Transport eine heikle Angelegenheit war, genauso wie die Pflege des Baums vor Ort. Dabei liegt es an uns, all das zu organisieren und zu managen – denn auch wenn die Lichter in der Messehalle ausgeknipst werden und jeder sich auf seinen wohlverdienten Feierabend freut, bedarf der Baum auch über Nacht und manchmal sogar noch zwei, drei weitere Tage richtiger Pflege, bevor er vom Sattelschlepper abtransportiert werden kann. Letztendlich ist er wohlbehalten im Stuttgarter Werk wieder eingepflanzt worden. Zugegebenermaßen gehen manche Blümchen nach einem Event nach Santiago de Compostela – also auf den Kompost – oder werden intern an Mitarbeiter verschenkt, aber gerade bei Großpflanzen ist es unsere Aufgabe und Pflicht, respektvoll mit der Natur umzugehen und ein Bewusstsein für dieses Leben zu entwickeln.

 

Böse Zungen behaupteten bei der Bauminstallation von Daimler doch sicherlich, es handle sich um „Greenwashing“ – also den Versuch, sich selbst in ein besseres, „grünes“ Licht zu stellen, oder?

Nein, das war alles andere als „Greenwashing“. Denn es kam den Menschen, ergo den Messebesuchern, nur zugute! Natürlich haben wir hier einen Baum vom Außenraum nach innen bewegt, aber wir haben es für einen guten Zweck und mit bester Absicht getan. Daimler stellte uns hierfür eine gigantische Fläche zur Verfügung, auf der früher Automobile standen. Außerdem war der Messestand so groß, dass hier täglich knapp 100.000 Menschen unterwegs waren – also ganz Trier. Und wenn sich da etwas Grün auf der Fläche befindet, dann erhöht dies die Aufenthaltsqualität für die Besucher doch enorm. Jeder, der schon mal auf einer Messe war, weiß wie anstrengend das Gehetze sein kann und wie viel Mehrwert einem eine Ruhepause, ein Durchatmen und die Präsenz eines Baumkolosses dieses Ausmaßes inmitten unzähliger teurer Wagen geben kann. Wie schon erwähnt: Wir alle haben das Bedürfnis nach Natur.

 

Und zum Schluss noch etwas aus dem Nähkästchen: Hast Du eigentlich einen grünen Daumen?

Ich behaupte ja, dass es den grünen Daumen gar nicht gibt, denn es gibt nur Erde unter den Fingernägeln. Was so viel heißt wie: Ich muss mich schmutzig machen, anpacken, beobachten, aus Fehlern lernen, Erfahrungen sammeln und diese dann weitergeben.

 

Andreas Schmidt, vielen Dank für das fruchtbare Gespräch!


Zur Person

Andreas Schmidt, Jahrgang 1973, studierte Chemie, bevor er im Alter von 25 Jahren seine Agentur indoorlandscaping gründete, die seitdem mit Pflanzenkunst monumentale Bauwerke und moderne Bauten weltweit begrünt. Zwischenzeitlich besaß das Unternehmen Filialen in Trier, München, Los Angeles und Mexiko-Stadt. Mit einem Erfahrungsschatz aus seiner mehr als 20-jährigen Berufstätigkeit referiert der vierfache Familienvater mit einem Faible für gesunde Ernährung, Ganzheitsmedizin, Logik und Natur heutzutage oft über den Mehrwert grüner „Mitbewohner“ im urbanen Umfeld der Menschen.

FACTS

Kontakt:

Andreas Schmidt, Trier (DE) > a2@indoorlandscaping.com

Fotos:

Marco Piecuch, Trier (DE) > www.pi-pix.de
indoorlandscaping, Trier (DE) > www.indoorlandscaping.com
Hedrich Blessing Photographers | Steve Hall/Hall + Merrick Photographers, Chicago (US) > www.hallmerrick.com
Schmidt Hammer Lassen Architects, Aarhus (DK) > www.shl.dk
Jörg Kaspari, Trier (DE) > www.joergkaspari.com